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Festliches Finale: natürlich verbunden

Festliches Finale des 8. Internationalen Marianne Brandt Wettbewerbs im Industriemuseum Chemnitz vom 29. bis zum 31. Oktober 2022

Wie nehmen wir unsere Verbundenheit miteinander und mit anderen Organismen wahr? Sind wir in der Lage zu spüren, was Tiere und Pflanzen fühlen? Wie weit können wir unsere Sinne technisch erweitern oder unsere Wahrnehmungsfähigkeiten für Natürliches übend verstärken? Wie kann mit den Mitteln von Gestaltung und Kunst die Entwicklung neuer Vorstellungs- und Denkvermögen für unsere Naturbeziehungen gefördert werden? Was könnten wir dabei von anderen Lebewesen lernen? Solche und ähnliche Fragen werden vom 29. bis zum 31. Oktober 2022 beim Festwochenende „natürlich verbunden“ im Industriemuseum diskutiert. Den Anlass dafür bietet das Finale des 8. Internationalen Marianne Brandt Wettbewerbs, der seit 2001 alle drei Jahre vom Kunstverein Villa Arte in Chemnitz ausgerichtet wird. Denn das Thema des diesjährigen Wettbewerbs heißt: „Verbindendes. Experimente für neue Naturbeziehungen“.

Linda Pense, die Kuratorin des Wettbewerbs und Vorsitzende des Kunstvereins Villa Arte hatte Künstler:innen und Gestalter:innen gefragt, wie sich das, was uns mit anderen Lebewesen und Lebensräumen verbindet, neu entdecken und gestalten lässt. Eingegangen sind mehr als 400 Vorschläge aus 34 Ländern, in denen in den Wettbewerbskategorien Projekte, Bilder und Texte, Vorschläge zur Gestaltung kooperativer, ästhetischer, metaphorischer und poetischer Austauschbeziehungen mit anderen Organismen und natürlichen Existenzen gemacht werden.

Die internationale Jury hat davon 46 Beiträge für die finale Preisverleihung am 29.10.2022 ausgewählt, die während des Festwochenendes drei Tage in einem eigens dafür eingerichteten „Gesprächsatelier“ präsentiert und diskutiert werden. 

Dazu gehört zum Beispiel das Projekt Econtiniuum des Künstlers Thijs Biersteker aus den Niederlanden. Gemeinsam mit dem italienischen Botaniker und Pionier der Pflanzenneurobiologie Stefano Mancuso hat Biersteker ein digitales Modell dafür entwickelt, das in Echtzeit nachvollziehbar macht, wie die unterirdische Kommunikation zwischen Baumwurzeln funktioniert. Der Londoner Künstler Lars Tobias Dittrich kooperiert dagegen direkt mit lebenden Organismen: In seinem Labor entstehen mithilfe von Mikroorganismen Skulpturen, deren Formbildung durch einströmende Luft geprägt wird. Er nennt dies Sculpting with Air („Modellieren mit Luft“). Irene Trejo aus Mexiko erkundet in ihren Performances auf eine sehr persönliche Weise und sinnlich konkret, wie ihr Körper gemeinsam mit Organismen und natürlichen Strukturen in ihrer Umgebung poetische Bilder der Verbundenheit erzeugen kann. Sie spürt dabei vor allem ihrem eigenen Empfindungsvermögen für anders-als-menschliche Lebewesen nach. Ähnlich operiert die Fotokünstlerin Olana Light, die für die von ihr inszenierten Bilder sich und andere gewissermaßen natürlich kostümiert. Indem sie zum Beispiel Menschen mit Fellen aus Pflanzenteilen in vegetabile Wesen verwandelt, ruft sie dabei auch Assoziationen zu alten magischen Bildern von Mensch-Natur-Beziehungen auf. Eine magische Präsenz entfalten auch die Fotogramme von Zana Briski. Wenn die US-amerikanische Künstlerin, ähnlich wie Marianne Brandt und andere Bauhäusler:innen die Technik der kameralosen Fotografie verwendet, bei der Bilder durch Körper entstehen, die direkt auf lichtempfindliches Papier platziert werden, greift sie damit einerseits ein Verfahren der klassischen Moderne auf. Andererseits erzeugt sie damit, nicht wie einst Marianne Brandt Abbilder von technischen Strukturen sondern von und mit Lebewesen. Dazu legt sie große Fotopapiere im nächtlichen Wald aus. Wenn sich ein Tier – z.B. ein Bär – darauf legt, erscheint nach Belichtung und Entwicklung des Fotopapiers sein Schatten als große weiße Silhouette sowie als Ergebnis einer ganz eigenartigen künstlerischen Kooperation.

In den Projekten und Bildern, aber auch in den Texten der für den Wettbewerb nominierten Beiträge der Künstler:innen und Gestalter:innen, geht es selten um einfache Lösungen für neue Naturbeziehungen. Vielmehr zeigen sie auf, dass unsere existenzielle Verwobenheit mit der Natur sehr problematisch, tief verwurzelt und rätselhaft ist, aber auch ganz wunderbar sein kann. Dies wird insbesondere in den für den Wettbewerb nominierten literarischen Texten deutlich. Wenn zum Beispiel Naïd Karimi schreibt: „Ich stehe hier mit der Realität und meiner Untersuchungsleuchte.“ Dann spricht er damit an, dass unsere natürliche Existenz, wie die jeder anderen Spezies letztendlich durch unsere typisch menschlichen Sinnesorgane und eine dadurch begrenzte Wahrnehmungswelt geprägt ist, wenngleich wir diese bis zu einem gewissen Maße technisch (mit „Untersuchungsleuchten“) erweitern können. Eine Position und Botschaft, die im Grunde genommen die Mehrzahl der nominierten Wettbewerbsbeiträge bezeichnet ist, dass wenn wir uns damit auseinandersetzen, was wir gewöhnlich „Natur“ nennen, wir mit der Natur beginnen sollten, die wir als menschliche Tiere selbst sind. Dies ist nicht zuletzt eine wesentliche Voraussetzung dafür, die anders-als-menschlichen Lebewesen mit dem nötigen Respekt sowie staunend und mit Neugier zu begegnen.

Wenn am 29. Oktober 2022 drei, jeweils mit 5.000 Euro dotierte Hauptpreise des Wettbewerbs in den Kategorien Projekte, Bilder und Texte verliehen werden, ist dies der erste Höhepunkt des an diesem Tag beginnenden Festwochenendes. Bis zum 31. Oktober widmet sich auch das Industriemuseum Chemnitz dem Thema des Wettbewerbs, indem es sich und seine Gäste fragt, wie naturverbunden ein der Industriegeschichte gewidmetes Museum sein kann. Dazu gibt es im „Gesprächsatelier“ nicht nur tägliche Diskussionen, welche an die hier präsentierten Wettbewerbsbeiträge anknüpfen. Vor allem wird an diesem Wochenende mit dem Stuttgarter Büro „Umschichten“ – das 2016 Preisträger des Marianne Brandt Wettbewerbs gewesen ist – das Außengelände des Industriemuseum als ein möglicher Museumsgarten ausprobiert. Im Sinne einer ersten „Bauprobe“ wird dazu ein „Mechanischer Garten“ installiert, in dem mit Baugerüsten nachempfundene und stark vergrößerte Kakteenständer von Marianne Brandt ein großräumiges Gestell für verschiedene Pflanzen bilden. So entsteht ein Erlebnisgelände aus technischen Strukturen und Pflanzen, mit dem die Präsentation im Inneren des Museums gewissermaßen natürlich ergänzt wird. Zusammen mit den Gästen des Festwochenendes wird der mechanische Garten in einer Reihe von Workshops weiterentwickelt und weitergedacht. So wird unter anderem auch eine große Kugelbahn gebaut, die diesen wie eine technische Pflanze durchrankt und schließlich das Äußere und Innere des Museums mit einem mechanischen Bewegungsspiel verbindet.

Der Katalog zum 8. Internationalen Marianne Brandt Wettbewerb, der alle nominierten und ausgezeichneten Arbeiten, aber auch das Festwochenende dokumentiert, erscheint im Frühjahr 2023 – so wie die vorangegangenen Kataloge – im Jovis Verlag Berlin. Zugleich werden die Wettbewerbsergebnisse und ausgewählte Beiträge auf der Webseite zum Wettbewerb veröffentlicht.

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